Sonntag, 1. Juni 2003

Jamaika April/Mai 2003

Ich setze meinen Fuß auf die Treppe am Flugzeug und atme die Karibik Luft tief ein – ja, das ist es, auf das ich mich schon so lange gefreut habe! Diese herrlich warm-feuchte Meeresluft! Im Gegensatz zu diesem widerlich eisig-nasskalten nordamerikanischen Wetter, wie ich es vier Wochen lang zuvor hatte ertragen müssen, ist das hier einfach die Erlösung!
So beginnen drei wunderschöne Wochen, ein Individualurlaub, den ich mehr oder weniger spontan geplant habe – denn den habe ich mir verdient!

„Wie, Du willst ganz alleine nach Jamaika? Als Frau? Das ist doch viel zu gefährlich!!“ So oder so ähnlich hat jeder reagiert, dem ich von meinen Plänen erzählt habe, die Reiseführer- und diverse Internetreisetipps eingeschlossen.

Da bin ich also. Meine erste Unterkunft soll das Ocean View Guest House am Sunset Boulevard, also direkt am Beginn des „Hip Strip“ in Montego Bay sein, denn die Reise nach Treasure Beach will ich erst am nächsten Tag antreten.
Die Zimmer sind simpel aber zweckmäßig, immerhin mit Klimaanlage.
Ich stelle also meine Reisetasche dort ab, mache mir erstmal bewusst, wo ich jetzt bin, und mache mich auf den Weg, den Hip Strip zu besichtigen und gleichzeitig die ersten Besorgungen zu erledigen. Dabei treffe ich auf die ersten kiffenden Rastas und Straßenverkäufer, von denen mich letztere sogleich in ihre Hinterstraßengeschäftchen ziehen, immer den Vorsatz im Kopf habend „Lass Dir bloß nichts andrehen, sag freundlich aber bestimmt ‚NEIN’!“ - und schon habe ich zwei Reggae-Armbändchen für nur 10 US$ erstanden…
Jedenfalls sind alle Menschen - wie erwartet - sehr freundlich und hilfsbereit. So bewegt sich Sisco die ganze Zeit auf meinem ersten Weg durch Mobay nicht von meiner Seite, zeigt mir alles, was ich suche (Bank, JTB und einem kleinen Lebensmittelladen, in dem ich kostenlos ins Internet darf, weil ich zwei Flaschen Wasser gekauft habe!), ohne mir dabei auch nur ein unanständiges Angebot zu machen!
Mein Gesamteindruck von Mobay (leider habe ich Downtown nicht gesehen): Nette Stadt, sehr auf amerikanische Bedürfnisse eingestellt, aber keine wirklich schöne Küste.

Am nächsten Morgen - nachdem ich am Abend noch auf der Terrasse des Ocean View meine ersten zwei Flaschen Red Stripe genossen habe - geht es dann los, alle Warnungen des Auswärtigen Amtes vor Minibussen und Route Taxis ignorierend, über Sav la Mar und Black River nach Treasure Beach. Auch hier begeistert mich die Hilfsbereitschaft der Jamaikaner. Ich stehe zwar Todesängste aus und schicke so manches Stoßgebet zum Himmel, als der Fahrer wieder einmal zu einem riskanten Überholmanöver (an die man sich tatsächlich nach einigen Wochen in Jamaika gewöhnen kann!) ansetzt, fühle mich aber dennoch gut aufgehoben, denn an jeder Taxi – Station werde ich mitsamt meiner Reisetasche in den nächsten Bus verfrachtet, wobei der jeweilige Fahrer dem nächsten auf Patois erklärt, ich wolle nach Treasure Beach, wo ich letztendlich auch gut ankomme.
Selbst Marc, der Taxi Fahrer von Black River nach Treasure Beach, hätte mich theoretisch überall hinbringen können, weil ich alleine in seinem Taxi sitze und ich mich ja kein Stück auskenne! Aber nein, begeistert erklärt er mir, er sei selbst aus Treasure Beach und Lennie, der Besitzer des Irie Rest, sei sein Cousin, und er wolle einfach nur, dass ich mich so happy fühle, wie er es tut.
Glücklich und erschöpft verbringe ich den Rest des Tages in der Hängematte auf dem Balkon von Zimmer Nr. 5 des Irie Rest und denke mir beim Blick auf die herrlich blühenden Pflanzen, hinter denen das Meer von Billy’s Bay rauscht: „So muss das Paradies ausgesehen haben…“

Am Ostersamstag - Thomas, ebenfalls alleinreisender Individualreisender aus München, ist inzwischen auch im Irie Rest angekommen – nimmt uns Lennie mit nach Black River zum Markt. Mit von der Partie ist Juma Punga, ein Afrikaner, der seit einiger Zeit in Jamaika lebt und mit dem ich mich später anfreunde. Von Black River selbst habe ich eigentlich nur den Eindruck mitgenommen: heiß, staubig, vollgestopft, unansehnlich. Und ähnlich sieht der Markt aus, wo ich doch meine Zweifel bekomme, dass das Obst, das Lennie kaufen will, durch die Mittagshitze eher schon am Gammeln ist, anstatt erntefrisch, wie man es von den Obstlieferanten aus den Bergen bekommt… Nichtsdestotrotz kann der Markt ein gewisses Flair nicht verbergen, die jamaikanische Gemütlichkeit und Heiterkeit vermischt mit Unmengen von Obst, Gemüse, Kleidung und Haushaltswaren, letztere beide Sachen in farbenfroher Vielfalt.
Nachdem wir im (eiskalt klimatisierten!!) Supermarkt für die Getränkeration über Ostern gesorgt haben, geht es zurück nach Treasure Beach. Am Kiosk von Paulines Familie, irgendwo in der etwas öden Wüstengegend zwischen Black River und Treasure Beach, legen wir einen Zwischenstopp ein, um uns nach diesem anstrengenden Vormittag ein kühles Red Stripe zu gönnen. Welch eine Wonne! Würde man nicht hinter der provisorisch zusammen gezimmerten Hütte auf das doch herrschende Elend in Jamaika aufmerksam gemacht… Trockener, karger roter Sandboden, im Hintergrund ein halbfertiges Betonhaus, aber dazwischen glücklich spielende Kinder, die uns „Whities“ neugierig anschauen.

Zurück in Billy’s Bay beschließe ich, dass es an der Zeit ist, zum ersten Mal den jamaikanischen Strand zu testen! Und das tue ich dann, zusammen mit Punga. Auch wenn es nicht der weiße Sand und das türkisblaue Wasser ist, was man sich unter „Karibik“ so vorstellt, ist es doch traumhaft. Ein breiter Strand für uns alleine, keine zusammengepferchten Touristen auf Plastikliegen unter Sonnenschirmen, keine künstlich geschaffenen Stimmung für animationssüchtige Cluburlauber.

Am Ostersonntag fährt Lennie uns zum Gut River, Lover’s Leap und nach Alligator Pond. Wieder einmal führt der Weg aus einer Aneinanderreihung von Schlaglöchern durch eine Wüstenlandschaft geprägt von Schilf, vereinzelten Stechpalmen und riesigen Kakteen. Und als ich es am wenigsten vermute, stehen wir plötzlich vor der kleinen Oase! Gut River, ein Fluss, der unter der Straße hin- durch ins Meer fließt, glasklar und stahlblau, umringt von saftig grünen Palmen und bunt bewachsenen Felsen.
Nach einer Runde schwimmen im erfrischend kühlen Nass geht’s weiter, diesmal durch bunt blühende Bergdörfer zum Lover’s Leap, eine Steilküste 600m über dem Meer, von dem sich während dem Zeitalter der Sklaverei ein Liebespaar gemeinsam in den Tod stürzte, woran heute noch zwei Gedenksteine erinnern – eine Art jamaikanisches „Romeo und Julia“. Der Ausblick über das Meer und auf den Horizont ist atemberaubend!
Auf dem Rückweg machen wir kurz Halt bei „Little Ochie“ in Alligator Pond, einem Strand, der nicht gerade zum Baden einlädt, wo man jedoch sehr gut Fisch oder Shrimps essen kann.
Ostermontag – Feierstimmung in der Karibik! Geschäfte sind geschlossen, niemand bleibt zu Hause - alles versammelt sich in Partylaune am Strand! Es gibt allerlei Getränke, fantastisches, frisch gegrilltes Jerk Chicken, und Reggae Musik dröhnt über den ganzen Strand.

Am nächsten Tag begeben Thomas und ich uns zunächst auf die „Black River Safari“, eine faszinierende Bootstour durch Mangroven, vorbei an Krokodilen und tropischen Vögeln, fachkundig und interessant erläutert von unserem „Kapitän“ Paul.
Zurück an Land fährt Lennie uns durch die Bamboo Avenue zu den YS Falls. Ich bin entsetzt: In heller Erwartung auf tropische Wasserfälle gelangen wir in einen Freizeitpark! Doch Gott sei Dank ist das nur der erste Eindruck, denn bevor man sich auf den Weg entlang des Flusses begibt, befindet man sich in einer Art Freizeitbad mit Kinderplanschbecken und „Spaßbädern“, um einen ganzen Tag mit der Familie hier zu verbringen.
Der Fluss selbst ist fantastisch. Vorbei an den leuchtenden Blüten der Tropenpflanzen steigt man den Berg hinauf, von dem sich die YS Falls mit einer gewaltigen Wucht hinunterstürzen. Selbst erleben kann man diese Kräfte in mehreren „Pools“ zwischen den Fällen, die sich herrlich dazu eignen, sich von dem „beschwerlichen“ Aufstieg abzukühlen, bewacht von gut gebauten Jamaikanern, die zum Erklettern der Felsen immer eine helfende Hand reichen.
Am Mittwoch zeigt uns Lennie, was uns „entgangen“ ist, weil wir uns nicht für einen Pauschal- oder Partyurlaub entschieden haben – Negril. Kein besonders hübscher Ort, die Preise für ein Red Stripe horrend, und der Strand zwar wie aus dem Urlaubskatalog, jedoch voll von Prestige – Urlaubern.

Am nächsten Tag entscheide ich mich für die Küstenbootstour von Treasure Beach Richtung Black River mit dem Fischerboot von Richard aus Billy’s Bay. Wir fahren gemächlich die Küste entlang, Richard zeigt mir versteckte Höhlen an der teils felsigen Küste und prachtvolle Villen, die sich reiche Kanadier auf dieselbe gebaut haben. Und dann das Ziel der Tour: Etwa eine Meile vom Strand entfernt liegt auf einer Sandbank eine aus Brettern und Palmenzweigen gezimmerte Bar. Das Wasser hier ist glasklar und leuchtet durch den weißen Muschelkalk in den traumhaftesten Blau- und Türkistönen, vermischt mit den dunklen Flecken der Seegrasbüschel. Richard verspricht mir zwar, beim Schnorcheln auf Hummer zu treffen, doch außer ein paar fast unsichtbaren Fischen sehe ich leider keine Tiere. Nach dem Schnorcheln lädt Richard mich zu kühlem Red Stripe ein – ein Kühlschrank mitten auf dem Meer! – ich bin begeistert! Die Aussicht von dieser Holzhütte fasziniert mich, ich fühle mich wie in einer Szene aus „Die Blaue Lagune“.
Schweren Herzens trenne ich mich von diesem paradiesischen Blick, und in halsbrecherischem Tempo springen wir mit dem Boot über die Wellen zurück nach Billy’s Bay.

Freitag geht es nach Accompong zu den Maroons. Allein die Fahrt ins Cockpit Country ist ein Abenteuer. Hier fahren wir über die bisher staubigsten und schlechtesten Straßen in Jamaika, und in den steilen Serpentinen hinauf zu den Bergdörfern muss Lennie den Wagen auf engstem Raum um Bagger und LKWs manövrieren.
Oben angekommen geht es endlich zur „guided Tour“. Eigentlich habe ich mir das auch etwas anders vorgestellt, denn letztendlich leben die Maroons zwar nach wie vor naturverbunden und unabhängig von der jamaikanischen Regierung, haben jedoch mittlerweile auch gelernt, die Touristen zu schröpfen. Die Aussicht ins Cockpit Country jedenfalls ist faszinierend, und auch die Vorstellung, dass diese Menschen Krankheiten ausschließlich mit Heilkräutern behandeln oder ohne jegliche Kriminalität ein friedfertiges Leben führen, ist einfach unglaublich.

An diesem Abend lerne ich wieder einen faszinierenden Teil des Lebens der Rastafaris kennen. Punga nimmt mich mit zu einem seiner Freunde (ich hab seinen Namen einfach nicht verstanden…). Der 26jährige lebt, wie so viele, ausschließlich vom Fischen und ist irre stolz auf sein halbfertiges Betonhaus. Den ganzen Abend philosophiert er über die Schönheit der Natur, dass er immer wieder aufs Neue den Wind genießen kann, der über seine Veranda weht, dass er die saubere Luft atmen kann und das Leben einfach schön ist. Okay, seine Begeisterung mag unter anderem auf den Konsum seines heißgeliebten Ganjas zurückzuführen sein, jedoch ändert das nichts an seiner Lebenseinstellung. Es bringt mich immerhin dazu, schlechten Gewissens an mein – im Vergleich hierzu – luxuriöses, manchmal unzufriedenes Leben in Deutschland zu denken.

Da Lennie am nächsten Sonntag Thomas zu Elke nach Runaway Bay bringt, beschließen Punga und ich auf eigene Faust zum Milk River Bath zu fahren, und ein Bekannter von ihm fährt uns mit seinem Pickup dorthin. Nach einer scheinbar endlosen Fahrt lassen wir uns eine „Zelle“ zuteilen, um das stark radioaktive Wasser zu genießen. Ehrlich gesagt ist die Atmosphäre hier nicht wirk- lich überzeugend. Die Badezellen sind klein und dunkel, Entspannung macht sich bei mir nicht bemerkbar.
Nach der Höchstbadedauer von einer Viertelstunde setzen wir uns ans Ufer des Milk River. Die Gegend ist wunderschön, Punga sagt, es erinnere ihn an Afrika. Ich frage noch, ob er glaubt, dass es hier Krokodile gibt, als auch schon eins seelenruhig vor uns den Fluss hinauf schwimmt, um sich am gegenüberliegenden Ufer zum Mittagsschlaf niederzulassen!
Das wird uns doch zu mulmig, also machen wir uns auf den Rückweg nach Treasure Beach. Dieser führt uns wieder an Little Ochie vorbei, wo wir diesmal zum Essen anhalten. Ich sehe danach zwar aus, als hätte ich im Teller gebadet, aber diese Jerk-Shrimps sind einfach klasse!

Donnerstag, 1. Mai. Früh am Morgen brechen wir auf, Lennie fährt mich zu Elke nach Runaway Bay. Da er die Tour ein paar Tage zuvor mit Thomas schon einmal gefahren ist, beschließt er, mich nicht über die anstrengende Bergstraße, sondern an der Küste entlang über Mobay zu fahren. Da ich sowieso einschlafe, ist mir die Landschaft letztendlich sowieso egal. Wieder einmal von der Reise erschöpft, laufe ich nach einer kurzen Ruhepause in den Ort, um mich mit Lebensmitteln zu versorgen und verbringe den Rest des Tages auf der Terrasse des House Erabo, mit einem fantastischen Blick auf das in vielfältigen Blautönen leuchtende Meer, den ich jeden Tag wieder aufs Neue beim Frühstück genieße.

Am nächsten Tag laufe ich zum offiziellen Badestrand von Runaway Bay. Fix und fertig nach einem Fußmarsch von ca. 2km, gehe ich ins erstaunlich kühle Meer eine Runde schwimmen.
Als gegen Nachmittag der alltägliche Sturm losgeht, laufe ich wieder zurück zum Erabo mit dem Ergebnis, noch viel verschwitzter und fertiger zu sein als am Vormittag.

Am Samstag bringt Elke mich zum Cranbrook Forest, einem Botanischen Garten zwischen Runaway Bay und St. Ann’s Bay. Ich laufe ungefähr eine halbe Stunde einen Urwaldweg am Little River entlang und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus! Pflanzen, die man in unseren Breiten auf der Fensterbank zieht, wachsen dort in unglaublicher Vielfalt und Farbenpracht – und riesig hoch! Ein ganzer Wald voller überdimensionaler Zimmerpflanzen – so kommt es mir vor.
Am Ende des Weges, vorbei an einem vergleichbar kleinen aber dennoch beeindruckenden Wasserfall, befindet sich ein kleiner See, in dem man eigentlich auch schwimmen kann. Was ich mich allerdings nicht traue, denn weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen und der See befindet sich quasi in einem Felsloch, rundherum hohe, steile Steinwände – die ganze Situation ist mir einfach ein wenig unheimlich.

Meine letzten Tage stehen bevor, und mein Urlaub soll wirklich grandios enden. Montags, nachdem ich mir das (ganz nette) Brown’s Town angesehen habe während Elke etwas zu erledigen hatte, fährt sie mich nach Ocho Rios zu den Dunn’s River Falls. Wow, das ist wirklich das Größte - würden nicht massenhaft diese dämlichen touristischen Menschenketten die Fälle hochklettern. Aber davon und von einigen anderen Touristenfängern abgesehen sind diese Wasserfälle wohl das Schönste, was ich in diesen drei Wochen in Jamaika zu sehen bekomme. Das Wasser ist glasklar, die Felsen glatt und hell, es sieht einfach überwältigend aus, wie der Fluss sich durch den Wald ins Meer hinunterstürzt. Ich passe einen Zeitraum ab, in dem gerade keine Menschenkette vorbeiklettert, setze mich auf einen Felsen ins Wasser und genieße einfach die Situation – wieder einmal komme ich mir vor wie in einer Filmszene: Lautes Rauschen, Glitzern und Schäumen um mich herum, über mir hohe Palmen. Leider kommt auch schon bald der nächste Schwung Kreuzfahrtreisender, und ich mache mich auf den Rückweg.

In Ochie weiht mich Elke in die Geheimnisse des jamaikanischen Fastfoods ein: „Island Grill“, das Mc Donald’s als Jerk-Version!
Ansonsten gefällt mir die Stadt ganz gut, zwar auch wieder auf Touristen, ganz besonders die amerikanischen, eingestellt, aber sauber, vielseitig und ansprechend.
Zurück Richtung Runaway Bay fährt Elke durch den Fern Gully – fast schon ein Naturwunder, doch am meisten amüsieren mich die Kleider"ständer" (lebensgroße Rasta-Holzfiguren mit errigiertem Geschlechtsteil :D ), die überall am Straßenrand verkauft werden – zur Runaway Cave und Green Grotto. Über eine Stunde werde ich hier von einem Höhlenführer auf interessanteste Art und Weise durch die Tropfstein- und ehemalige Indianerhöhlen, die auch zeitweise Zufluchtsort für entflohene Sklaven waren, geführt.

Dienstags dann die große „Abschlusstour“: über die Blue Mountains nach Kingston. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus, dieses Gebirge ist wahnsinnig beeindruckend. Hier und dort kleine Wasserfälle an den steilen Felswänden, tropische Pflanzen in atemberaubender Vielfalt und eine Unmenge an Bergen und Tälern, wohinter immer wieder das Meer auftaucht. Oben angekommen erreichen wir das erste Ziel dieser Tour, das Gap Café. Elke und ich gehen durch das Café auf die Terrasse – und ich bekomme ein Kribbeln in den Bauch:
Etwa 1500 m unter uns liegt Kingston. Erhaben, idyllisch und friedlich erstreckt sich die Stadt dort am Meer entlang. Wir genießen unseren Blue Mountains Kaffee, wobei immer wieder Kolibris um uns herumflattern und Zuckerwasser aus den für sie aufgehängten Behältern trinken. Dann geht es weiter Richtung „Town“.
Aus der Nähe sieht es dann schon anders aus, Uptown mit seinen prachtvollen Villen, Downtown geprägt durch verkommene Fabrikgelände und seine Slums, bestehend aus notdürftig aneinander gestellten Wellblechen als Behausungen. In der Stadtmitte herrscht buntes, geschäftiges Treiben zwischen den teils farbenfrohen Kaufhäusern oder Werkstätten und den zwei oder drei Bürogebäuden in Form von Hochhäusern – eine typische Großstadt eigentlich.
Nachdem wir uns im Mineralbad von Kingston, direkt unter einem Bauxitabbauwerk gelegen, entspannt haben, fahren wir, ein Stück die Küste entlang, zurück nach Runaway Bay. Dabei kommen wir noch durch Spanish Town, was mich einerseits fasziniert, andererseits enttäuscht. Es ist zu erkennen, dass diese Stadt unter den Spaniern wirklich schön und prachtvoll gewesen sein muss, denn die Grundmauern vieler Gebäude stehen noch. Und es tut wirklich weh, das alles im Verfall zu sehen. Denn hätte man die Mittel und Zeit aufwenden können, um das alles instand zu halten, wäre Spanish Town mit Sicherheit die herausragendste Stadt Jamaikas. Aber Elke erklärt mir, dass die Jamaikaner nichts von der Spanischen Kolonialmacht wissen wollen.

Schweren Herzens nehme ich von Mobay Abschied, als ich zwei Tage später wieder in den Flieger steige. Denn die Insel hat all das erfüllt, was ich erwartet habe, wovon ich schon viele Jahre geträumt habe.
Auch kann ich jeder Frau, die alleine Jamaika bereisen möchte, nur raten, sich nicht von allen Warnungen und Horrorgeschichten abschrecken zu lassen. Man bekommt wirklich viele, teils obszöne Angebote gemacht, aber kein Mann geht weiter mit seinen Absichten, wenn man eindeutiges Desinteresse zeigt. (Sogar als ich mich selbst einmal etwas unvorsichtig und wohl zu naiv in eine heikle Situation begeben hatte, kam ich unversehrt davon.) Für die Jamaikaner ist Flirten und Sex eher ein Hobby, und wenn sie bei einer Frau mal keinen Erfolg haben, umgarnen sie einfach die nächste.
Natürlich kann man Pech haben und an die falschen Leute geraten – aber mal ehrlich: Kann einem das nicht überall passieren?